Schritt 0: Vorüberlegungen

Neu: Podcast Folge 29 – Widerspruch gegen den Examensbescheid in 5 Schritten

Widerspruch – sofern dies in Ihrem Bundesland der richtige Rechtsbehelf ist (vgl. abweichend etwa § 14 JAPO Bayern) – sollten Sie immer einlegen, wenn Ihr Ergebnis knapp unter der Bestehensgrenze liegt und Sie ansonsten das erste oder das zweite Staatsexamen endgültig nicht bestanden hätten.

Korrekturfehler, die eine Hebung in den bestandenen Bereich ermöglichen, sind zwar nicht häufig, tauchen aber doch immer wieder auf, und Sie sollten auch im Nachhinein mit dem Gefühl aus der Sache herausgehen, wenigstens alles versucht zu haben. Selbst dann, wenn Sie mit Jura ohnehin beruflich abschließen möchten, ist ein bestandenes Examen immer besser als ein nicht bestandenes.

In allen anderen Fällen ist die Frage der Einlegung eines Widerspruchs eine Abwägung: Nämlich einerseits zwischen der Zeit, den Kosten und der nervlichen Belastung, die ein Widerspruchsverfahren in Anspruch nimmt und den Erfolgsaussichten andererseits.

Als Richtschnur kann hier Folgendes gelten: Wann immer Sie sich die Benotung einzelner Klausuren nicht erklären können oder Sie sich ungerecht behandelt fühlen, ist die Einlegung eines Widerspruchs angezeigt, um dem auf den Grund zu gehen. Ein Widerspruchsverfahren ermöglicht hier die Abklärung, ob tatsächlich ein Bewertungsfehler vorliegt.

Wesentlich für diese Abklärung ist die Vornahme einer Akteneinsicht. Zwar besteht inzwischen nach der DSGVO ein Recht auf die Zurverfügungstellung einer kostenlosen Kopie der Examensklausuren  (BVerwG-Urt. v. 30.11.2022, 6 C 10.21 – vgl. Prüfungsrecht, Anspruch auf kostenlose Kopie von Examensklausuren, Art. v. 6.12.2022).

Allerdings ist zu beachten, dass nur die Einlegung eines Widerspruchs den Ablauf der Widerspruchsfrist hemmt, was im Zusammenhang einer Prüfungsanfechtung von entscheidender Bedeutung sein kann. Da die Analyse einer oder mehrerer Examensklausuren im Hinblick auf Bewertungsfehler sehr zeitintensiv ist, nimmt man auch hier durch die Einlegung des Widerspruchs Druck aus dem Verfahren.

Demgegenüber sind die Nachteile einer Widerspruchseinlegung überschaubar: Ein wesentliches Kostenrisiko besteht für diesen Verfahrensschritt noch nicht. Soweit im Fall der Rücknahme eines Widerspruchs von der Behörde überhaupt Gebühren erhoben werden, liegen diese in einem sehr moderaten Bereich (maximal 50-200 Euro).

Ein wesentlicher Kostenpunkt kann allenfalls in der Beauftragung eines Rechtsanwalts liegen. Da es sich beim Prüfungsrecht tatsächlich um ein komplexes Rechtsgebiet handelt, sind hier Honorarvereinbarungen sehr üblich.

Zu berücksichtigen ist aber auch, dass im Widerspruchsverfahren kein Anwaltszwang herrscht. Hier können Sie durchaus Geld sparen, indem Sie etwa den Widerspruch selbst einlegen und die Klausuren gemeinsam mit Freunden oder Bekannten durchgehen, die sich in dem jeweiligen Rechtsgebiet auskennen. Richtschnur sollte auch hier wieder die persönliche Bedeutung der Examensanfechtung für Sie sein. Soweit es um das endgültige Bestehen oder Nichtbestehen des Examens geht, sollten Sie das Verfahren in jedem Fall in die Hände eines darauf spezialisierten Rechtsanwaltes legen.

Auch werden aus der schlichten Einlegung eines Widerspruchs, soweit Sie noch weitere Prüfungen vor sich haben, keine negativen Rückschlüsse auf Ihre Person gezogen. Abgesehen davon, dass jedenfalls weitere Klausuren sowieso anonym korrigiert werden, ist die Zahl von Widersprüchen gegen Examensergebnisse mittlerweile derart hoch, dass hieraus bezogen auf den einzelnen Prüfling erfahrungsgemäß nichts abgeleitet wird. So sehr die Einlegung eines Widerspruchs gegen das Examensergebnis für Sie selbst eine bedeutende Sache ist, aus Sicht der Behörde ist dies absolute Routine.

Da sich die rechtlichen Risiken eines Widerspruchs somit in überschaubaren Grenzen halten, kann die Empfehlung gegeben werden, die rechtlichen Möglichkeiten des Widerspruchsverfahrens jenseits des Falles des ansonsten endgültigen Nichtbestehens der Prüfung auch in den Fällen zu nutzen, in denen Ihnen die Bewertung einer oder mehrerer Ihrer Klausuren überhaupt nicht einleuchtet oder Sie sich nachhaltig ungerecht bewertet fühlen.

Auch Prüfer sind nur Menschen; zugleich ist es aber Ihr Recht, eine korrekte Bewertung Ihrer Leistung sicherzustellen. Im Regelfall werden Sie viel Zeit und Energie in Ihre Examensvorbereitung investiert haben. Das Gefühl, eine ungerechte Bewertung nicht einfach wehrlos hinnehmen zu müssen, kann daher auch für ihre weitere fachliche Motivation mitbestimmend sein.

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